Wort zum Karfreitag 2. April 2021
Liebe Gemeindeglieder, liebe Freunde!
Karfreitag – dies alte Wort bedeutet „Klage-Freitag“. Früher gingen alle Leute am Karfreitag in Trauerkleidung zur Kirche. Schließlich
gedenken wir am Karfreitag des Sterbens und des Todes unseres Herrn Jesus Christus!
Und morgen ist
dann „Karsamstag“ (und nicht etwa „Ostersamstag!“; das ist der Samstag nach Ostern). Karsamstag ist der Tag, da Jesus Christus im Felsengrab lag, Tag der Grabesruhe, und ebenfalls Tag der Klage.
Erst in der Osternacht und am Ostermorgen kommt wieder Freude, Osterjubel auf.
Im englischen Sprachraum nennt man den Karfreitag
allerdings „Good Friday“, dem „guten“ Freitag. Denn am Karfreitag ist ein Evangelium, eine „gute Nachricht“, eine „frohmachende Botschaft“ zu
verkündigen.
Der Tod Christi auf Golgatha ist nicht nur schreckliches Leiden, sondern ein Kampf, bei dem Jesus Gottes Erlösungswerk vollbracht hat. Karfreitag ist nicht der Tag
einer Niederlage, sondern eines großen Sieges!
1. Jesus
ging bewusst und willentlich den Weg zum Kreuz
Gottes Wort sagt uns, daß Er ganz bewusst aus der ewigen Welt Gottes
herabgestiegen ist in unsere gottfeindliche und boshafte Welt; sein Weg zum Kreuz begann
schon mit der Geburt, als es für ihn keinen Raum gab in der Herberge, als er in einer Futterkrippe liegen musste und von König
Herodes verfolgt wurde. Als er im Alter
von etwa 30 Jahren mit seiner öffentlichen Wirksamkeit begann, erfuhr er sofort und immer wieder Feindschaft:
seine Liebe beschämte nämlich die Menschen in ihrer Lieblosigkeit, und wenn er
sagte, was vor Gott recht ist, fühlten sich die Übeltäter bloßgestellt. Als Jesus gegen die
kleinlichen Vorschriften der Schriftgelehrten verstieß, um Menschen in Not zu helfen, verärgerte er die Regelmacher.
Er tadelte offen jene, für die Religion nur dazu diente, andere Menschen zu beherrschen oder auszunehmen. Vor allem aber weckte er
Empörung und Widerspruch, als er in der Vollmacht des Sohnes Gottes Sünden vergab, von sich als dem kommenden Richter der Welt sprach und als König in Jerusalem
einzog.
Jesus hat von Anfang an seinen Jüngern gesagt, dass sein Weg zum Kreuz führt,
aber sie wollten es nicht hören. Als
Jesus verraten und verhaftet wurde, ließen ihn seine treuesten Jünger und Freunde im Stich. Wie eng verbunden sind wir mit Jesus,
unserem Herrn und Heiland? Wie nah sind wir Ihm, wie treu sind wir? Manche, die in der Gemeindearbeit mitmachen, tun dies weniger aus dem Glauben an Jesus heraus,
sondern weil sie Abwechslung suchen oder gern Musik machen oder weil sie sozial tätig werden wollen. Wenn es dann um Glaubensfragen dreht,
gähnen sie gelangweilt oder erklären, daß die Bibel ein Buch
der Vergangenheit sei, nach dem wir uns heute nicht mehr zu richten bräuchten.
2. Jesus – erniedrigt und erhöht
Am Karfreitag wurde Jesus verraten und verleugnet, in einer heimlichen Gerichtsverhandlung
mithilfe falscher Zeugen angeklagt und schließlich zum Tode verurteilt. Rohe Hände vergriffen sich an Ihm,
unter Flüchen und Schlägen wurde er durch die Gassen gezerrt, zum Stadttor hinausgestoßen und an einen verrufenen Ort gebracht, auf den Hügel Golgatha, die Müllhalde
der Stadt, wo man ihn auszog und
zwischen zwei Mördern am Kreuz aufhängte und festnagelte.
Welch eine Schande! Welch ein Elend!
Die Kreuzigungsgeschichte zeigt Jesus aber auch als König. Wie ein König nimmt er den Ehrenplatz in der Mitte zwischen zwei anderen ein; und auch das Schild über
seinem Kreuz bekundet: „Jesus von
Nazareth, der König der Juden“. Pilatus wollte ihn zwar damit verhöhnen,
aber so wurde er unfreiwillig zum Verkünder einer großen Wahrheit. In hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache wird allen Menschen nahegebracht,
dass dieser Jesus von Nazareth der König der Juden ist. Diese Nachricht soll alle Welt erfahren.
Immer wieder benutzt Gott sogar das Böse und die Bösen, dass sie ungewollt seiner Sache dienen müssen.
Die Soldaten unter dem Kreuz teilen die Kleider Jesu unter sich auf und losen um sein Gewand - und erfüllen damit, ohne es zu ahnen, was Psalm
22 vom Messias sagt: „Sie haben meine Kleider unter sich aufgeteilt und um mein Gewand das Los geworfen“ (Ps. 22,19).
Die heidnischen Kriegsknechte weisen durch ihr Tun darauf hin: hier ist der König Israels! In
Psalm 22 spricht der Knecht Gottes, dem man Hände und Füße durchbohrt hat: „Mich dürstet!“ Auch dies Wort gewinnt lebendige
Gestalt im gekreuzigten Jesus.
So ist der Weg
und auch das Leiden Jesu in allen Einzelheiten die Erfüllung alter Verheißungen, die Bestätigung dessen, daß Jesus der Messias ist.
3. Inwiefern hat der Tod Jesu etwas mit unserer Erlösung zu tun?
Jesus ist zu uns gekommen von Gott, als Abbild der Liebe Gottes. Jesus hat geredet – es
war Gottes Wort. Er hat getröstet und geheilt – in der Vollmacht des Schöpfers. Sein ganzes Verhalten, seine ganze Person drücken Gottes Liebe aus.
Im Alten
Testament wird von den Propheten erzählt, daß sie hin und wieder durch ihr Verhalten den Gott Israels darstellen sollten. Jesus nun ist immer und überall die Darstellung
Gottes.
Auch die Art und Weise, wie die Menschen mit Jesus umgehen, offenbart, wie Menschen mit Gott umgehen. Die Art und Weise,
wie Jesus darauf antwortet und wie er die Schuld der Menschen hinnimmt, annimmt, auf sich nimmt, offenbart, wie Gott die menschliche Bosheit in
Liebe trägt und besiegt.
Hier, am Kreuz Jesu, geschieht das Wunder, dass der Richter sich richten lässt und für den Angeklagten die
Strafe übernimmt. Der Gerechte, der Unschuldige, der Reine, tritt an die Stelle des Sünders, des Schuldigen, des Unreinen.
Da findet ein unglaublicher
Rollentausch statt. Die Täter machen sich zu Richtern und der Richter läßt sich verurteilen!
Am Kreuz Jesu toben sich der Gotteshaß und die
Bosheit der Menschen an Jesus aus – und der antwortet darauf mit Liebe!
Jesus hat sich selbst, seinen Leib und sein Blut, für uns verschenkt, dahingegeben, aufgeopfert.
Er hat sein Leben, das Leben des einzigen, einzigartigen, unschuldigen und reinen Gottessohnes, für uns eingesetzt und damit unsere Schuld bedeckt, ausgelöscht.
Er selbst hat seinen Tod als Sühnopfer für Israel und alle Menschen gedeutet.
So hat er aus dem Kreuz, dem Zeichen der Schande, ein Zeichen der Erlösung gemacht für alle,
die Kinder Gottes sein wollen.
Wenn wir ein Kreuz sehen, können wir erschrecken über
die Bosheit der Menschen und das Leid, das sie einander zufügen, über ihren Haß auf Gott; wir können aber auch
staunen über den Gott, der sich diesem Haß und dieser Grausamkeit ausgeliefert hat, um sie zu überwinden.
4. Gottes Liebe zielt darauf, unser Leben zu erneuern
Die Liebe
Gottes in Jesus Christus ist eine Herausforderung. Sie kann eigentlich niemanden gleichgültig lassen.
Wir denken vielleicht: was habe ich damit zu tun? Bin ich nicht ein
anständiger Mensch, ein guter Christ? Aber sind wir doch einmal ehrlich! Wer sind wir denn? Sind wir nicht oft gottvergessen, gleichgültig, träge, undankbar, taub für Gottes Ruf, unfähig zur
Nächstenliebe, unwillig zur Versöhnung? Schweigen wir nicht allzu oft, wo wir reden sollten, und reden wir nicht, wo wir schweigen
sollten? Was sind wir Gott und unseren Mitmenschen nicht schon alles schuldig geblieben!
Die Auseinandersetzung mit dem Anspruch Gottes kann nur zu dem Bekenntnis führen, daß wir allesamt arme Sünder sind. Martin Luthers letzte geschriebene Worte, die Summe seines
Lebens, waren: „Wir sind alle Bettler – das ist wahr.“
Wir kennen vielleicht die Worte aus dem Lied „Stern, auf den ich schaue“, wo es heißt:
„Nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du!“ Wir haben nichts wirklich Gutes, Reines,
Heiliges aus eigener Kraft und Vernunft zustande gebracht. Wir stehen als Bettler vor Gott.
Aber Gott überrascht und überwältigt uns mit Seiner Gnade. „Er, der uns seinen eigenen Sohn (und damit sich selbst) nicht vorenthalten hat, sondern ihn,
sein Allerliebstes und Kostbarstes, für uns alle dahingegeben hat, wie sollt er uns mit ihm nicht alles schenken?“, schreibt Paulus.
Im
Kreuz Jesu Christi zeigt uns Gott die Radikalität, den Extremismus, die Totalität Seiner Liebe. Wie können wir noch
denken, bei ihm kämen wir zu kurz? Was könnte uns noch hindern, uns ihm anzuvertrauen? Das beste, was wir können tun können, ist, uns von
den ausgebreiteten Armen Jesu umarmen zu lassen, als verlorene Söhne und Töchter heimzukehren zum Vater im Himmel, um nun getrost und fröhlich als Kinder Gottes zu
leben.
Da kommt dann auch durch uns Liebe zu anderen Menschen, Zuwendung, Verständnis, tatkräftige Hilfe. Da werden wir fähig, anderen zu
vergeben. Da sehen wir auch und gerade in den verdorbenen Menschen von Gott geliebte und gesuchte Menschen. Da
machen wir uns mit Jesus auf den Weg, um Traurige zu trösten, Schwache in Schutz zu nehmen, Gebeugte aufzurichten, Mutlosen Hoffnung zu
machen. Wir lernen, uns mit anderen zu freuen und ihnen Gutes zu gönnen, lernen, uns das Leid anderer zu eigen zu machen und zuzupacken, wo es nötig und möglich ist.
Das Kreuz Jesu, die Offenbarung der Liebe Gottes,
hat heilende Kraft. Das Evangelium vom Karfreitag ist eine Anstiftung zu einem neuen Leben.
Dies neue, andere, bessere Leben im Geist der Liebe Jesu wünsche ich allen.
Mit
herzlichem Gruß
Ihr Pastor Stinder